Eine Stadtteilschule zweiter Klasse?
01. Juni 2013 Klaus-Peter GörlitzerIm Sommer 2012 ging an der Humboldtstraße 89 eine neue Stadtteilschule an den Start, organisiert als Ableger der renommierten Heinrich-Hertz-Schule (HHS). Die Zweigstelle, die insbesondere für Kinder aus Barmbek-Süd attraktiv sein soll, will die Schulbehörde nun in die Selbstständigkeit entlassen – allerdings als Stadtteilschule zweiter Klasse.
Die Leitung der HHS ist mit ihrer Pionierarbeit an der Humboldtstraße 89 offensichtlich zufrieden: „Man kann schon an den hohen Anmeldezahlen zum Schuljahr 2013/2014 (88 Schülerinnen und Schüler) sehen, dass die neue Stadtteilschule eine hohe Akzeptanz bei den Eltern genießt.“ Politisch gepusht hat sie insbesondere die hiesige SPD um den Bürgerschaftsabgeordneten Sven Tode. Mit Infoveranstaltungen und Faltblättern rührten die Sozialdemokraten die Werbetrommel für die „neue Stadtteilschule in Ihrer Nähe“, wobei sie betonten: „Wer sich für das Abitur entscheidet, hat dafür auf der Stadtteilschule insgesamt ein Jahr mehr Zeit als auf dem Gymnasium: Ein Jahr mehr, um zu reifen und sich zu entfalten.“
Das klingt gut und ist ja auch erklärter, parteienübergreifender Wille in Hamburg, wo zurzeit 57 Stadtteilschulen existieren. 50 davon bieten laut Pressemitteilung („Stadtteilschulen bringen Abiturquote auf Rekordniveau“, 18. Februar 2013) des Schulsenators Ties Rabe (SPD) eine Oberstufe an – doch ausgerechnet an der Humboldtstraße soll dies auf absehbare Zeit nicht möglich sein. Der zuständige Oberschulrat Gerhard Albrecht erklärte jedenfalls Ende Mai: „Zur Zeit ist in der Tat nicht vorgesehen, die Stadtteilschule Humboldtstraße mit einer eigenen Oberstufe auszustatten.“ Zwecks Erläuterung führte Albrecht aus: „Bei Dreizügigkeit, selbst bei Vierzügigkeit einer Stadtteilschule ist der Aufbau einer funktionsfähigen und attraktiven Oberstufe wenig wahrscheinlich.“
Diese behördliche Planung sieht der Kreiselternrat „mit großer Sorge“. Wer das Vertrauen der Eltern in die neue Schulform stärken möchte, müsse „auf eine Gleichheit der Stadtteilschulen achten“. Ohne Oberstufe wäre aber „die Augenhöhe verletzt“, heißt es in einer Stellungnahme der Kreiselternvertreter. Deren kritische Positionierung empfindet die Schulleitung der HHS durchaus als Unterstützung. In einer Antwort an den KER schreiben die HHS-Führungskräfte Gerd Augustin und Karin Pilnitz: „Wie Sie wünschen wir uns die neue Stadtteilschule mit einer eigenen Oberstufe. Dieses Vorhaben ist bei einer Vierzügigkeit sicher realistisch.“ Allerdings nur dann, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt würden: Zum einen müsse der Schulentwicklungsplan die Vierzügigkeit (gemeint sind vier parallele Klassen pro Jahrgang) – anders als bisher – ausdrücklich vorsehen.
Zum zweiten benötige die neue Schule zusätzliche Räume. Diese soll perspektivisch das Gebäude Imstedt 18-20 bieten, fünf Minuten Fußweg entfernt von der Humboldtstraße 89. Im Imstedt-Gebäude war früher das Denkmalschutzamt untergebracht. Zurzeit steht es leer und wird saniert; anschließend soll es von der Goldbek-Grundschule zwischengenutzt werden und danach – frühestes ab Herbst 2016 – für die Stadtteilschule zur Verfügung stehen.
Letztlich werden nicht die Wünsche von Eltern und Lehrern entscheiden, sondern Politik und Fachbehörde, womöglich beeindruckt durch öffentliche Einmischung. Die Bildungsbeamten tun jedenfalls einiges, um die Skepsis weiter zu nähren. So sollen leistungsstarke Schüler keineswegs mit einem problemlosen Wechsel von der neuen Stadtteilschule an die Heinrich-Hertz-Schule rechnen dürfen, weder ab Klasse 7, noch beim Übergang in die gymnasiale Oberstufe. Derartigen „Vertrauensschutz“ gibt es nach Darstellung von Oberschulrat Albrecht nach Klasse 6 nur für solche Mädchen und Jungen, die vor der Selbstständigkeit der Stadtteilschule an der Humboldtstraße aufgenommen worden waren. Dagegen hat die HHS-Leitung dem KER schriftlich versichert: „Bis die neue Oberstufe ihre Arbeit aufnehmen kann, haben die Schülerinnen und Schüler der Stadtteilschule Humboldtstraße selbstverständlich und vorrangig die Möglichkeit, die Oberstufe der Heinrich-Hertz-Schule zu besuchen.“
Alles in allem eine Gemengelage, die ganz schön verwirren kann – und das wenige Wochen vor Beginn des neuen Schuljahres! Beiträge zur öffentlichen, verbindlichen Klarstellung wären also hilfreich. Am Zug ist hier vor allem die regierende SPD, der ja von der oppositionellen CDU wiederholt unterstellt worden war, sie betreibe die Stadtteilschule Humboldtstraße doch bloß als „sozialdemokratisches Prestigeprojekt“.
Eltern, die sich Gedanken über die Schullaufbahn ihrer Kinder machen, bleibt bis auf weiteres nichts anderes übrig, als sich genau zu informieren und auch viele Fragen zu stellen. Die nächste Anmelderunde in den Sekretariaten von Stadtteilschulen und Gymnasien wird im Februar 2014 stattfinden.