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Fluglärm lautlos hinnehmen?

01. September 2013 Klaus-Peter Görlitzer

Die Entwicklung verläuft schleichend, ist aber unüberhörbar: Der Flugverkehr über Barmbek-Süd steigt stetig. Die zuständige Behörde hat das Problem erkannt, Lärmmessungen wurden ausgeführt und hinter den Kulissen Verantwortliche alarmiert. Viele Anwohner sind genervt – und manche nehmen das Lärmen der Flieger auch nicht mehr lautlos hin.

Es gibt Tage, an denen man lieber nicht in Barmbek-Süd sein möchte, jedenfalls weder auf Straßen, Balkons oder in Häusern mit geöffneten Fenstern, inklusive Schulen und Kindergärten. Warum? Weil es im direkten Lebensumfeld derart laut ist, dass man sich mit seinen Mitmenschen nur verständigen kann, wenn man bereit ist, sie auch mal anzubrüllen – einfach, um das Jaulen, Heulen, Dröhnen der Flugzeuge zu übertönen, die im Landeanfl ug auf Hamburg Airport derart tief fl iegen, dass sie bei Sonnenschein mitunter für einen Augenblick gar die Fenster verschatten.

Es gibt nicht nur persönliche Eindrücke, sondern auch objektive, bedenkliche Zahlen. Im Frühjahr 2012, als die reguläre Start- und Landebahn 05/23 (Langenhorn/ Niendorf) wegen Bauarbeiten rund einen Monat gesperrt war und die Flugzeuge deshalb die Ausweichpiste 15/33 nutzten und nonstop auch über Barmbek flogen, wurde auf dem Gelände der Adolph-Schönfelder-Grundschule vorübergehend ein Lärm-Messcontainer aufgestellt. Die meisten Maschinen waren zwischen 66 und 75 Dezibel laut, bilanziert die Statistik der Flughafen Hamburg GmbH, allerdings ohne diese Ergebnisse an die große Glocke zu hängen. Im selben Frühjahr 2012 erklärten Forscher der Mainzer Universitätsklinik, Fluglärm ab 50 Dezibel hemme Kinder in ihrer kognitiven Leistung, beeinträchtige zum Beispiel ihr Gedächtnis und ihre Lesefähigkeit; zudem hätten Studien der Mediziner ergeben, dass Fluglärm zu Depressionen, Bluthochdruck und anderen Herz-
Kreislauf-Erkrankungen führen könne.

Gewiss, die Fluglärm-Tage über Alsterdorf und Barmbek, verursacht vom Verkehr über die Piste 15/33, sind bisher nicht die Regel. 8.975 Flüge über diesen Wohnbereich zählt die offi zielle Statistik für 2012. Das sind 6 Prozent aller 149.529 Flüge, die 2012 von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) über ganz Hamburg gezählt wurden – und damit absoluter und relativer Rekord in den vergangenen 20 Jahren. „Vor 2008 lag der Anteil der Flüge über Alsterdorf-Barmbek bei unter 3 Prozent“, erläuterte Uwe Schacht von der BSU-Abteilung Lärmbekämpfung kürzlich einer genervten Barmbeker Bürgerin, „2012 waren es aber 6 Prozent und in diesem Jahr könnte der Anteil noch höher werden.“

Diesen Anstieg in Barmbek und Umgebung sieht Schacht „mit einer gewissen Sorge“ – Begründung: „da die Stadt Hamburg dort gleichzeitig gegenteilige Entwicklungen fördert (Ausweisung von weiteren Wohnquartieren im Einzugsbereich dieser Flugschneise)“. Schacht versichert, die Dienststelle der Fluglärmschutzbeauftragten nehme „Bürgerproteste sehr ernst“; er selbst habe inzwischen „einige dringliche Appelle an die Verantwortlichen (Flughafen, Wirtschaftsbehörde, Politiker) geschrieben“, um sie auf den „Widerspruch“ zwischen tendenziell wachsenden Bewohnerzahlen und steigendem Fluglärm hinzuweisen. Ob und wie die gewichtigen Adressaten darauf reagiert haben, ist bisher nicht bekannt.

Ungewiss ist auch, wie sich der Flugverkehr perspektivisch entwickeln wird; Anlass zur Beruhigung gibt es sicher nicht. „Da die Pisten des Flughafens mittlerweile 50 Jahre alt sind“, schreibt Schacht, „kann ich nicht seriös seriös vorhersagen, welche Belastungen auf die Anwohner der Innenstadtviertel in den nächsten Jahren noch zukommen.“

Eine prozentuale Grenze existiert bislang nicht; „rein rechtlich“, so Schacht, könnte gemäß Hamburger Bahnbenutzungsregeln womöglich auch ein Anteil von sogar 10 Prozent aller Flüge über Barmbek zulässig sein – unter der, durchaus dehnbaren, Bedingung, dass die reguläre Start- und Landebahn 05/23 aufgrund schlechter Witterung oder notwendiger Baumaßnahmen angeblich oder tatsächlich nicht genutzt werden kann.

Ob die schleichende Ausweitung fortgesetzt wird, dürfte maßgeblich auch davon abhängen, wie aktiv, geduldig oder gleichgültig sich die Betroffenen verhalten. Nehmen die Bürger den steigenden Lärm lautlos hin, könnten Politiker und Flughafenbetreiber, die ja auf Wachstum des Airports hoffen, geneigt sein, Stillschweigen als Lärm-Akzeptanz zu werten.

Neben der Möglichkeit, sich persönlich bei der Fluglärmschutzbeauftragten (Telefon 4042840-2412, https://www.hamburg.de/fluglaerm) über Krach, Nachtflüge und verdächtige Niedrigflieger zu beschweren, gibt es nun auch eine Unterschriftensammlung, die im nächsten Stadtteilrat (4. September, 19 Uhr im Barmbek-Basch) vorgestellt wird. Die Initiative, gerichtet an den Hamburger Senat, fordert unter anderem, den Anteil der Flüge über Alsterdorf-Barmbek auf maximal 6.000 pro Jahr zu begrenzen – ohne Ausnahmen.

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