Miteinander im Quartier
25. Juni 2020 Frank StümpertIst das Schlimmste schon überstanden? Das fragen sich derzeit viele auch in unserem Stadtteil. Als das Corona-Virus im Februar Deutschland erreichte, konnten wir nicht ahnen, wie weit wir uns an die folgenden politisch beschlossenen Maßnahmen anpassen und neue Verhaltensweisen erlernen mussten. Die für uns selbstverständliche Freiheit eingeschränkt zu sehen, hat je nach Sichtweise und Gefühl für Protest, Angst oder Kummer gesorgt. Viele soziale Einrichtungen mussten ihre Gemeinschafts- und Begegnungsorte schließen, um das Kontaktverbot einzuhalten. Kreative Lösungen waren gefragt, um gerade ältere Menschen zu unterstützen, damit diese nicht in soziale Isolation und Einsamkeit abrutschen.
Verzicht auf Begegnung und sozialen Austausch
Ein älterer Nachbar hat am eigenen Leib erfahren, was Kontaktsperre bedeutet: Den Enkelkindern nur auf Abstand beim Spielen zu zu sehen, Geschenke für den Schwiegersohn vor dessen Tür legen zu müssen und dann auch nicht zur Beerdigung der Frau eines guten Freundes fahren zu dürfen. Dieser Verzicht hat ihn, wie viele andere, stark belastet.
Soziale Dienste berichten, dass es gerade den noch aktiven Senior*innen sehr schwer fällt, auf die geliebten gemeinsamen Ausflüge in die Umgebung sowie den Besuch kultureller Veranstaltungen verzichten zu müssen. Wer regelmäßig Gast im Theater an der Marschnerstraße oder dem Ernst-Deutsch-Theater ist, kennt das reifere Publikum und sieht die Begeisterung über den schönen Abend im Kreis von Freund*innen und Verwandten. Alles das fällt weg, jetzt ist man Teil einer „ Risikogruppe“, soll sich und andere schützen und „Ansteckungsquellen“ meiden. Auch die Sprache mit ihrem Krisen-Vokabular trennt die Generationen im Moment voneinander.
Virtuelles Pilgern
Die Kirche Alt-Barmbek musste Gottesdienste und andere gemeindliche Versammlungen absagen. Vielen Gläubigen fehlte damit nicht nur der spirituelle Zuspruch, sondern vor allem das soziale Miteinander. Eine Lösung, um zumindest bei den Kirchgänger*innen zuhause präsent zu sein – der Ausbau des Online- Angebotes: Predigten als Audiodatei auf YouTube sowie Fürbitten für Erkrankte als PDF downloadbar. Diakon Eggert Nissen rief im April per Video die Gläubigen auf, ihn virtuell beim Pilgern in der Umgebung seines Wohnortes Harburg zu begleiten. Die Pastorin Katharina Riemer hielt regelmäßig telefonischseelsorgerischen Kontakt zu ihren Gemeindemitgliedern, gerade zu jenen, welche nicht internetkundig sind und direkte menschliche Anteilnahme und Begegnung spüren wollen.
Das Miteinander gestalten
Es zeigte sich: Neue Formen des sozialen Austausches und der menschlichen Zuwendung waren gefragt, um die krisenbedingte Vereinzelung erträglich zu machen. Bleibt die Hoffnung, dass möglichst viele dieser Ideen und Initiativen die Krisenzeit überdauern und ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl in unserem Quartier fördern.